Was ist ein Kultursprung? Eine an sich simple Frage, die sich ebenso simpel beantworten lässt.
Wenn eine regionale Ansammlung von Menschen etliche Entwicklungsstufen auslässt, sie Zwischenstufen überspringt, und anschließend auf einer deutlich höheren Entwicklungsstufe weitermacht, dann liegt ein Kultursprung vor.
Dies ist so, als ob es nie einen Thomas Alva Edison, nie einen Telegraf, nie ein Telefon gegeben hätte, als ob es all diese Vorläufer des heutzutage genutzten »Smartphones« nie gegeben hätte. »Urplötzlich«, ohne Ankündigung, hätte die Menschheit die heutzutage übliche mobile Kommunikation aus dem Nichts heraus »erfunden« und genutzt. Dies erscheint recht unwahrscheinlich, da neues Wissen (und Können) in der Regel auf Vorhandenes, Überliefertes aufbaut.
Dies Vorgenannte ist jedoch hinfällig, wenn Wissens- oder Kulturbringer Wissen weitergeben, sie aktiv in das Geschehen eingreifen. Dann können Entwicklungsstufen übersprungen werden, es kann anschließend auf einer höheren Kulturstufe weiter gehen. Dieser unerklärliche Kultursprung ist für nachfolgende Generationen meist nicht nachvollziehbar, er wirkt oft befremdlich, teilweise sogar erschreckend, da die Einflussnahme dieser Wissensbringer das religiöse Weltbild vieler Menschen ins Wanken bringt.
Betrachten wir die Zeit vor mehr als 7.000 Jahren in Mittelamerika. Die wenigen, dort lebenden Menschen waren nomadisierende Jäger und Sammler, die in kleinen Gruppen, meist Familienverbänden das Land auf der Suche nach Nahrung durchstreiften.
Wie konnten diese sesshaft werden? Feldbewirtschaftung und Bevorratung von Lebensmittel waren unbekannt. Zumal gab es keine Haustierhaltung, die ein Überleben gesichert hätte. Weiterhin gab es keine Feldfrucht, die einen ausreichenden Ertrag abwarf.
Doch plötzlich gab es eine solche Pflanze, die einen ausreichenden Ertrag abwarf, die die Familienverbände ernähren konnte, die ein sesshaft werden ermöglichte.
Ein Süßgras namens »Teosinte« war der unscheinbare Ausgangspunkt eines Kultursprunges zu jener frühen Zeit. Geben Sie den Suchbegriff »Mais« unter Wikipedia ein und lesen Sie selbst über eine der »größten Domestizierungsleistungen des Menschen«.
Wildschafe kann man beispielsweise leicht domestizieren, sie müssen nur gefangen werden und anschließend gezähmt werden. Ein Schaf ist und bleibt ein Schaf, egal ob wild lebend oder domestiziert. Durch eine anschließende gezielte Zuchtauswahl kann eine Verbesserung beispielsweise der Woll- oder Fleischqualität erreicht werden.
Wie jedoch konnten frühe Menschen, vor mehr als 7.000 Jahren eine unscheinbare Pflanze mit kleinen (Frucht-)Kolben domestizieren, wie konnten sie »wissen«, wie man diese zu einer Kulturpflanze wandelt, deren anschließend großen (Mais-)Kolben als Nahrungsmittel das Überleben sicherten? Wie konnten sie wissen, wie man diese Pflanze gezielt anpflanzt, zielgerichtet neues Saatgut gewinnt? Und dies angeblich alles ohne Lehrer, alles im Selbststudium ...
Noch vor ca. 3.500 Jahren lebten diese jungsteinzeitlichen ersten Agrarbauern verstreut über das Land in kleinen, meist familiären Dorfgemeinschaften und bauten eben diesen Mais an.
Doch vor mehr als 3.300 Jahren ereignete sich in Mittelamerika wiederum ein ungeklärter Kultursprung.
Irgendjemand gab das Startzeichen und eine Menge Menschen verließen ihre verstreut liegenden kleinen Dorfgemeinschaften und begaben sich zu einem Ort, der heute als San Lorenzo Tenochtitlan überliefert ist.
Dort angekommen, begannen die Menschen anschließend ein riesiges Plateau aufzuschütten. Dies hört sich sicherlich unspektakulär an, aber Sie sollten sich diese gewaltige technische und logistische Aufgabe vor Augen halten. Es gab keine Tragtiere, keine Karren, keine technischen Hilfsmittel, alles wurde mit menschlicher Arbeitsleistung herangeschafft. Anschließend wurde mit dem Bau einer ersten Stadt begonnen, wobei sogar an den Bau steinerner Wasserleitungen gedacht wurde ...
Wer war der Bauherr, wer waren die Planer und Organisatoren dieses außergewöhnlichen Projekts? Wer ernährte und »bezahlte« die zahlreichen Arbeiter und wozu sollte eine solche, zu jener Zeit unbekannten Anlage dienen? Es gibt in diesem Zusammenhang sicherlich viele weitere ungeklärte Fragen, diese lenken jedoch von einer wesentlichen Frage ab.
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